Aktualisierung vom 10. Oktober 2018:
Nach einigen Kommentaren, dass eine Pflegekammer keine Tarifverhandlungen führt, möchten wir auf dieses Thema verstärkt eingehen. Bei den Tarifverhandlungen einer Pflege Kammer sind nicht die Verhandlungen im öffentlichen Dienst gemeint. Dort sitzen Vertreter der Politik, sowie Gewerkschaften und Arbeitnehmervertretungen am einem Tisch. Pflegekammern könnten jedoch bei Verhandlungen von Manteltarifverträgen aktiv werden. So wie es zum Beispiel bei der Bundesärztekammer der Fall ist. Dort werden die Gehälter der medizinischen Fachangestellten ausgehandelt. So ein Modell ist durchaus auch in der Pflege denkbar. Zudem könnte sich eine Pflege Kammer auch positionieren bei Verhandlungen mit Arbeitgeberverbänden, die nicht in den öffentlichen Sektor fallen.
Die Pflegekammer ist die Möglichkeit eine Selbstverwaltung in der Pflege einzurichten. Dabei geht es von der Berufsausbildung bis zur Tarifverhandlungen. Die Aufgaben einer solchen Selbstverwaltung sind weitreichend und notwendig. Überspitzt formuliert könnte man als Pflegekraft sagen: Okay, ihr (Politik, Gewerkschaft, Gesellschaft) habt es probiert und leider seid ihr gescheitert. Jetzt lasst es uns bitte selber machen!
Woher kommt der Wunsch der Pflege zur Profession?
Jahrelang wurde die Pflege in Deutschland vernachlässigt. In politischen Diskussionen im Bereich der Gesundheit lag der Fokus häufig auf der Finanzierung von Krankenhäusern und der Versorgung durch niedergelassene Hausärzte sowie Fachärzte. Das Ergebnis dieser kurzfristigen Denkweise können wir heute in Deutschland begutachten. Der Pflege geht es schlecht. Die Zahl der Volksbegehren, die die Situation der Pflege verbessern wollten erhöht sich stetig. Jedoch gehen diese Begehren den Pflegenden oft nicht weit genug. In kaum einer dieser Bewegungen wird eine Pflegekammer für beruflich-qualifizierte Pflegekräfte gefordert. Jedoch würde eine Kammer der Profession Pflege den Rücken sehr stärken. Das Problem der Pflege ist außerdem die geschichtliche Herkunft. Früher war die Pflege eine Tätigkeit aus christlicher Nächstenliebe. Handlungen sind damals aus Erfahrungen und gutem Willen geschehen. Es gab schlichtweg keine wissenschaftlichen Arbeiten. Außerdem hatte die Medizin damals Angst um ihr Alleinstellungsmerkmal. Da die Medizin sich damals schon auf wissenschaftliche Erkenntnisse berufen hat. Wir wissen heute, das sich auch Ärzte und Ärztinnen täuschen können. Viele Erkenntnisse von damals sind schon lange überholt oder widerlegt worden.
Auch heute, entwickelt sich die Medizin in einem rasanten Tempo. Kommt da die Pflege hinterher? Zur Zeit eher nicht, da sie mit Probleme zu kämpfen hat, die eine Weiterentwicklung sehr schwierig macht. Personalmangel, eine veraltete Ausbildungsstruktur, zu wenige pflege-wissenschaftliche Studiengänge und eine Gewerkschaft die gegen eine Pflegekammer ist, sind nur wenige Probleme mit denen die Pflege zu kämpfen hat. Somit wird der Weg zur Profession noch ein langer werden. Aber der Wunsch wird spürbar größer. Zuerst müssen wir aber klären was eine Profession überhaupt ist:
Folgende Punkte finden sich regelmäßig in der einschlägigen Literatur:
- selbst generiertes wissenschaftlich fundiertes Wissen, spezielle Fachterminologie
(Definitionsmacht für die Berufsausbildung),
Aktueller Stand: Wissen nimmt stetig durch Forschung und Studium zu, auch Fachbegriffe in der Pflege entstehen weiterhin
- lang andauernde theoretisch fundierte Ausbildungsgänge auf akademischem Niveau
(Berechtigung zur Berufsausübung gekoppelt an Examen und Titel),
Aktueller Stand: „normale“ 3-Jährige Ausbildung am Ende mit einem Examen, zudem einen Studiengang Pflege-Dual (Examen und Bachelor), sowie weiterführende Studiengänge z.B. Pflegemanagement, Pflegewissenschaft, Pflegepädagogik
- Berufsethik
Aktueller Stand: keine verbindliche Eide oder eine bindende Ethik wie in der Medizin, Versuch der Entwicklung durch den ICN (International council Nursing)
- exklusives Monopol für die Handlungskompetenz, Monopolisierung von Zuständigkeiten
Aktueller Stand: Handlungsgrenzen verschwinden, da es einen zu extremen Fachkräftemangel gibt, daher führen Hilfskräfte Tätigkeiten aus, zu denen sie nicht qualifiziert sind
- Tätigkeiten mit gemeinnützigen Funktionen von grundlegender Bedeutung
(Gemeinwohlorientierung als berufsständische „Ideologie“)
Aktueller Stand: Dieses Denken darf wohl als erfüllt angesehen werde, da niemand mit der Pflege reich werden möchte/kann
- hohe Autonomie in der Berufsausübung, Selbstkontrolle der Arbeitsbedingungen
(selbst generierte Standards der Leistungsbewertung und deren Kontrolle)
Aktueller Stand: dieser Aspekt wird nicht erfüllt. Durch den Zeitmangel und Personalmangel wird nur das nötigste Erbracht. Viele Pflegenden würden anders arbeiten, wenn die Rahmenbedingungen stimmen würden.
- Ablehnung einer Laienkontrolle, Einrichtung einer berufsspezifischen Selbstverwaltung (Kammer)
Aktueller Stand: In einigen Bundesländern wird über eine Einführung der Pflegekammer beraten und diskutiert (Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen Schleswig-Holstein). Letztlich hat bis jetzt nur Rheinland-Pfalz den Schritt gewagt und damit positiven Erfahrungen machen können.
Wer verweigert der Pflege eine Pflegekammer?
Leider erfüllen die beruflich Pflegenden in Deutschland diese Aspekte nur zum Teil. Das liegt jedoch nicht an den Pflegekräften, sondern an den Einschränkungen und der Engstirnigkeit von Politik und Gesellschaft. Pflege ist mehr als „Hintern abwischen“ und dem Arzt bei Visite nett anlächeln. Doch dieses Bild herrscht oftmals noch in Deutschland. Und daher ist es kein Wunder, dass viele Pflegewissenschaftler in Deutschland die Tätigkeiten als Assistenz der Ärzte einschätzen. Jedoch wird ein Trend zu mehr Autonomie und Eigenständigkeit erkannt. Aber wie sieht es mit der Selbstverwaltung aus?
Es gibt eine Vielzahl von Berufsverbänden. Diese haben aber nur eine sehr geringe politische Macht. Der größte Berufsverband in der Pflege ist der DBfK. Der DBfK spricht sich klar für eine Pflege Kammer aus. Die größte Gewerkschaft in denen sich die beruflich Pflegenden organisiert haben ist die Ver.di. Leider ist die Ver.di nicht der größte Freund einer Pflege Kammer, da sie fürchtet Einfluss und Mitglieder zu verlieren. Dieser Egoismus auf die eigene Macht ist wirklich eine Frechheit. Sicherlich hat die Mitgliedschaft in einer Gewerkschaft viele Vorteile, aber diese ablehnde Meinung müssen die Verantwortlichen endlich ablegen. Wir wollen eine Profession werden, und dazu gehört eine Pflegekammer.
Ein weiteres Beispiel, wie sehr die Pflege abhängig ist von Politik und Co. ,zeigt sich zur Zeit in Bayern. Im Jahr 2011 hat Markus Söder als Gesundheitsminister in Bayern gesagt er werde sich für eine Pflegekammer in Bayern stark machen. Und diese auch voran bringen. Nun ist er Ministerpräsident von Bayern, also sitzt er nun an einem noch längeren Hebel, aber hat er sich schon zur Pflegekammer in Bayern geäußert? Meines Wissens nach nicht. Auch nach langer Recherche findet man nur seine alten Aussagen zur Pflegekammer. Aber in seinem neuen Amt versucht er das Thema ganz elegant zu meiden. Eine bodenlose Frechheit. Bayern hat auch andere Probleme neben ein paar straffällig gewordenen Flüchtlingen.
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